Worauf du dich verlassen kannst by Kate Tempest

Worauf du dich verlassen kannst by Kate Tempest

Autor:Kate Tempest [Tempest, Kate]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644544215
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2016-04-24T22:00:00+00:00


Pete nervten ihre ewigen Proben, und schon gar nicht passte es ihm, dass sie jeden Abend auf Abruf war. Er hatte seine CSCS-Karte bekommen und fand für ein paar Wochen Arbeit auf dem Bau. Aus den Frotzeleien auf der Baustelle hielt er sich natürlich raus. Er kam sich vor wie ein Verräter am eigenen Geschlecht. Mit dem Geld, das er verdiente, wollte er Becky ausführen. Aber sie war nie da. Nach drei Wochen war die Arbeit getan, und er meldete sich erneut arbeitslos.

Jedes Mal, wenn sie streiten, muss er irgendwann weinen. Er weiß nicht, woher es kommt, aber sobald sie einen härteren Ton anschlägt, wird ihm heiß im Gesicht, als würde er von innen geschlagen, und dann fließen die Tränen, und seine Kehle schnürt sich zu, und er wird pampig und kindisch. Wenn sie ihn schluchzen sieht, erstarrt sie, ihre Züge gefrieren. Sie weint nie vor anderen, sie findet es manipulativ.

Pete schämt sich für sein Verhalten, gibt es aber nicht zu. Wenn er allein ist, ist er munter und gut drauf und vernünftig. Aber kaum sind sie zusammen, kann er nicht mehr klar denken und führt sich auf wie ein Irrer.

Wenn sie ihn danach fragt, wird er bloß wütend und verlegen, bekommt den Mund nicht mehr auf und stellt sich vor, sich ins Gesicht zu schießen. Wieder und wieder. In den Mund, in die Schläfe, ins Auge. Wieder und wieder.

Bähm.

Er hat ihre Sachen durchwühlt. Sie weiß es, weil der jüngste Stapel Briefe an ihre Eltern, die sie in einer Schachtel in ihrem Kleiderschrank aufbewahrt, durcheinandergeraten ist und der Stapel Visitenkarten, die sie sich für ihre Massage-Jobs hat drucken lassen, nur noch halb so dick ist, wie er sein sollte. Aber irgendetwas lässt sie immer wieder zu ihm zurückkommen.

Sie küssen sich im Supermarkt und kiffen in der Badewanne, aber seine Launen werden schlimmer und schlimmer, und sie beginnt, auf Distanz zu gehen. Als er spürt, dass sie von ihm abrückt, verfällt er in Panik und bedrängt sie noch mehr. Er taucht unangemeldet vor ihrer Wohnung auf und traut sich nicht zu klingeln, um nur ja nicht mit ihrer Mitbewohnerin reden zu müssen. Er steht draußen auf dem dunklen Außengang und raucht. Er stellt sich vor, wie sie sich in Hotelzimmern bewegt, hört das schmatzende Geräusch, wenn sie die Körper der Männer mit ihren Händen einölt. Und seine Augen sind rot vom Kiffen und sein Husten so stark, dass er sich vorbeugt und zusammenkrümmt.

Wenn sie zur Arbeit ist, boxt er gegen die Wand, bis seine Knöchel bluten, und wenn seine Wunden später im Pub nässen, hasst er sie für das, was sie ihm antut. Und kann es trotzdem kaum erwarten, sie wiederzusehen und in seinen Armen zu halten.

Das Jobcenter bringt ihn um. Beckys Liebe bringt ihn um. Nach Hause zu kommen, in sein altes Kinderzimmer, bringt ihn um. Alles bringt ihn um, und trotzdem schleppt sich sein Leben einfach weiter vorwärts; ein neuer Morgen kommt, und er ist immer noch da. Wach. Am Leben.



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